Mittwoch, 23. März 2011

Von Warnern und Bedenkenträgern


Warner haben’s schwer. Der Priester Laokoon warnte seine Landsleute vor dem Trojanischen Pferd und wurde deshalb von Seeschlangen verschlungen. Zudem wurde seine Warnung in den Wind geschlagen.
Vielleicht wollten die Griechen mit dieser Geschichte gar nicht die Warner warnen, sondern zum Ausdruck bringen, dass Warner nerven, auch wenn sie Recht haben. Es sind schließlich Besserwisser, die in Krisenzeiten ihre Warnungen unter das Volk streuen, altkluge Rechthaber, die sich jetzt in Talkshows breit gemacht haben – außer Reichweite von Seeschlangen.

Dass er nicht mehr von Seeschlangen gefressen wird, ist nicht das einzige, das sich am Warner verändert hat. Immer seltener warnt er vor Konkretem, bleibt nebulös.
Man kann sagen, er äußert inzwischen vor allem Bedenken, weswegen inzwischen die Bezeichnung „Bedenkenträger“ im Umlauf ist. Es ist ein Versuch die Warner zu diffamieren und damit mundtot zu machen, allerdings haben sich letztlich Seeschlangen als effektiver erwiesen.

Zuletzt haben die modernen Bedenkenträger Konjunktur gehabt und sich mit Hingabe der Unruhen in der arabischen Welt angenommen.
Vor dem Sturz des tunesischen Diktators Ben Ali fürchtete man eine Flüchtlingswelle, die af Europa zurollen würde.
Als in Ägypten der greise Hosni Mubarak zu taumeln begann, gab man wahlweise die Sicherheit Israels zu bedenken, das Erstarken von Islamisten oder die Möglichkeit einer Militärdiktatur oder alles zugleich.
Die Unruhen in Jemen gaben Anlass zur Sorge, Al Quaida könne dort eine Operationsbasis aufbauen, der ganze jemenitische Staat könne auseinander fallen.

Keines dieser möglichen Zukunftsszenarien entbehrt einer Grundlage. Es stellt sich nur die Frage inwieweit diese Bedenken bedenkenswert sind. Was nutzt eine Warnung, wenn man keine Möglichkeit hat sie zu beherzigen?
Wie sollte Deutschland einer möglichen islamistischen Gefahr in Ägypten begegnen, Hosni Mubarak Polizisten nach Kairo schicken, die den Tahirplatz von Demonstranten räumen? Sollte sich die Europäische Union aus Rücksicht auf Israel an einen 82jährigen klammern, der zwar einen Friedensvertrag mit Israel hat, aber im Land Antisemitismus fördert, wenn es ihm opportun erschien? Sollte man eine Demokratiebewegung unterdrücken, weil vielleicht die Militärs die Macht im Land übernehmen könnten und stattdessen einen Tyrannen an der Macht halten, der sein Volk um geschätzte 10 Milliarden Dollar erleichtert hat?
Soll der Westen einen jemenitischen Staatschef stützen, der seit 32 Jahren regiert, dessen Staat ohnehin vor dem Kollaps steht? Soll der Westen für Forderungen nach Freiheit und Menschenwürde ein taubes Ohr haben, zugunsten der Stabilität in einem Land das instabil ist und in dem angebliche Stabilität nur mit einem jahrzehntelangen Ausnahmezustand garantiert werden kann?

Nein, so weit will natürlich niemand gehen (außer Frankreichs Außenministerin Alloit-Marie, die damit geliebäugelt hatte Tunesiens Ben Ali französische Polizisten anzudienen), auch die Bedenkenträger nicht. Selbstverständlich sollen, dürfen, müssen die Tunesier, die Ägypter, die Jemeniten, Libyer, Syrer und Algerier ihren eigenen Weg in die Zukunft suchen, aber man wird ja noch mal warnen dürfen.

Sonntag, 20. März 2011

Innen hohl

Bild: Dirk Vorderstraße
Seine bislang stärkste Rede hielt Guido Westerwelle im Juni 2007 auf einem Parteitag der FDP. Dort erklärte er die Partei – oder sich. Das war ja lange eins – zur Freiheitsstatue der Republik.
Seinen bislang stärksten Auftritt als Außenminister hatte Guido Westerwelle Anfang März, als er sehr früh und unmissverständlich erklärte, dass Ghaddafi verschwinden müsse. Der Diktator habe jegliche Legitimation verloren und sei untragbar geworden.
Mit diesen Aussagen des Außenministers setzte sich Deutschland an die Spitze der Europäischen Union, die im Umgang mit Libyens Diktator keine gute Figur zu machen drohte und setzte erste Sanktionen gegen das Regime durch. Beseelt vom freundlichen Empfang in Tunis, getragen von der Begeisterung mit der der deutsche Außenminister auf dem Tahirplatz in Kairo begrüßt wurde, stilisierte sich Guido Westerwelle zur Freiheitsstatue der arabischen Demokratiebewegung.

Die bittere Wahrheit ist, dass die Freiheitsstatue innen hohl ist und hohl sind auch Guido Westerwelles Versprechungen. Libyen entwickelte sich anders als Tunis oder Ägypten, die Rebellion geriet in die Defensive, aber Westerwelle hatte nicht mehr zu bieten als warme Worte – oder heiße Luft. Ghaddafi muss weg, aber zum Sturz beitragen wollte Deutschland nur mit Sanktionen, die den sanktionserprobten Diktator nicht schrecken konnten, die nicht durchzusetzen wären und die Monate brauchten, um zu wirken.

Außenminister Westerwelle hat als erster Staatsmann stellvertretend für Deutschland am lautesten getönt, als er das libysche Regime für Bankrott erklärte. Er hat damit sehr frühzeitig die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung ausgeschlossen. Hoffnung auf erfolgreiche Diplomatie gab es aber ohnehin keine.
Danach hat er jede andere Option im Umgang mit dem Bürgerkrieg in Libyen verweigert, selbst als die NATO ihre Bereitschaft zur Durchsetzung einer Flugverbotszone signalisierte, als die libysche Opposition sie einforderte und die Arabische Liga ihre Erlaubnis erteilte.

Außenminister Westerwelle hat mit einer derartigen Vehemenz den Sturz des exzentrischen Diktators gefordert, dass man den Eindruck bekommen konnte, er würde sich demnächst persönlich aufmachen und ihn aus seinem Beduinenzelt zerren, aber zur selben Zeit hat er den Pazifismus für sich entdeckt. Von dieser neuen Entdeckung waren Merkel und Westerwelle dann auch gleich so begeistert, dass sie die militärische Option nicht nur für Deutschland ausschlossen, sondern auch für die EU, die NATO und die gesamte Völkergemeinschaft. Wie man so einen Diktator aufhalten soll, der nur noch Stunden vor der Einnahme der letzten verbliebenen Rebellenhochburg steht, haben Westerwelle und Merkel nicht erklärt.

Was bleibt, sind Signale, die Deutschland in die Welt aussendet. Das Abstimmungsverhalten Deutschlands im UN-Sicherheitsrat signalisiert, dass Deutschland beim geringsten Zweifel die wichtigsten Verbündeten im Stich lassen wird. Deutschland hat sich enthalten und damit die USA vor den Kopf gestoßen, aber Deutschland ist auch aus der EU-Linie ausgeschwenkt und hat den Arm unten gelassen, als Frankreich, England und Portugal ihn hoben.
Gerade das Beispiel Portugals zeigt aber wie hohl die Begründung Westerwelles und Merkels für Deutschlands Verhalten ist. Sie wollten sich nicht an einer Militäraktion gegen Libyen beteiligen, angeblich weil sie vom Erfolg nicht überzeugt seien, tatsächlich weil sie fürchteten, dass die Wähler neben Afghanistan einen zweiten Militäreinsatz mit deutscher Beteiligung nicht begrüßen würden. Portugal stimmte für die UN-Resolution, aber am Militäreinsatz wird sich Portugal nicht beteiligen. Deutschland enthielt sich, unterstützt aber den Militäreinsatz logistisch. Das ist so unlogisch wie inkonsequent.
Das zweite Signal ist, dass Deutschland Menschenrechte und Demokratiebewegungen immer unterstützen wird – aus gebührender Entfernung, wenn es garantiert nichts kostet und mit warmen Worten hinter denen nichts steckt als heiße Luft.

Mittwoch, 16. März 2011

Die trägen Deutschen

Was will der neue Innenminister Friedrich damit sagen, wenn er feststellt, dass der Islam historisch nicht zu Deutschland gehört? Die Aussage hat kein Gehalt, denn sie hat keine Relevanz für die ca. vier Millionen Muslime, die jetzt in Deutschland leben und sie ist ein Widerspruch gegen etwas, was nie jemand behauptet hat.
Was soll man mit der Aussage also anfangen? Will Herr Friedrich damit andeuten, dass nur Dinge mit historischem Hintergrund ein Existenzrecht in Deutschland haben? Dann müsste er „historisch“ definieren, denn heute ist Deutschland ein Autoland, aber das Auto gibt es erst seit knapp hundert Jahren, gehört historisch also kaum mehr zu Deutschland als der Islam.

Noch schlimmer wird es, wenn Innenminister Friedrich die muslimischen Mitbürger in Deutschland willkommen heißt, den Islam aber nicht. Die Menschen akzeptieren, die Religion, der sie angehören aber nicht, das funktioniert nur, wenn diese Menschen ihre Religion aufgeben. Heißt Herr Friedrich die Muslime also willkommen mit einem Bier in der einen und einer Bockwurst in der anderen Hand?
Die Aussage ist dumm und ihre Dummheit fußt auf Ignoranz. Die Millionen deutscher Muslime halten vor roten Ampeln, geben ihre Steuererklärungen ab und stehen in Supermärkten geduldig in der Schlange, deshalb sind sie gern gesehen.
Islam bedeutet aber Zwangsehen, Verschleierung, Heiliger Krieg, Terrorismus und Steinigung. So etwas hat selbstverständlich keinen Platz in Deutschland.

Deutschland ist eben ein Land, das sich nur widerstrebend von etablierten Vorstellungen löst. So sind die meisten deutschen Muslime türkischer Herkunft, aber der Gedanke, dass die Nachkommen ehemaliger Gastarbeiter längst Deutsche sind, setzt sich nur quälend langsam durch.
Peinlich, dass der deutsche Nationalspieler Mesut Özil letztes Jahr mit einem Integrationsbambi geehrt wurde. Mesut Özil wurde in Gelsenkirchen geboren, schon sein Vater war noch ein Knabe, als er nach Deutschland kam. In Spanien, bei Real Madrid, wo Mesut Özil jetzt spielt, muss er sich integrieren, nur in Deutschland, da musste er es ganz gewiss nicht.

Seit zehn Jahren, seit den Anschlägen vom 11. September, setzt man sich in Deutschland mit dem Thema Islam auseinander. Vorher war die Sharia ein Begriff, der Islamwissenschaftlern vorbehalten war, sogar Peter Scholl-Latour, der intime Kenner von allem, was von Relevanz für eine Talkshow ist, verwendete ihn nie. Ein halbes Dutzend Spiegel, Focus- und Stern-Sondernummern über den Islam später glaubt jeder zu wissen, was Sharia bedeutet, nämlich Frauen unters Kopftuch zwingen, Dieben die Hand abschlagen, Ehebrecher zu steinigen und Ungläubigen den Kopf abschlagen. Kein Wunder, dass es die vorherrschende Meinung ist, dass Islam und deutsches Grundgesetz miteinander unvereinbar sind.

Es wird wahrscheinlich so lange dauern, bis wir realisiert haben, dass die meisten Türken in Deutschland einen Perso im Portemonnaie haben, ehe es uns auffällt, dass es vier Millionen Muslime in Deutschland gibt, denen es keine Probleme bereitet ihre Religion und das deutsche Grundgesetz miteinander in Einklang zu bringen.

Montag, 14. März 2011

Atomkraft - Die Geisterdebatte

„Die deutschen Atomkraftwerke sind die sichersten der Welt.“
„Atomkraftwerke sind tickende Zeitbomben.“
„Das Restrisiko ist nur eine mathematische Größe.“
„Die Technik ist vom Menschen nicht zu beherrschen.“

Man hatte diese Diskussion, das Abfeuern leerer Worthülsen hüben wie drüben, mit dem beschlossenen Atomausstieg fast verdrängt gehabt. Dann hat die Laufzeitverlängerung der derzeitigen Koalition die schlafenden Hunde wieder geweckt und seit Japan am Rande einer atomaren Katastrophe balanciert, werden die Phrasen wieder aus allen Rohren abgefeuert.

Ausgerechnet Umweltminister Norbert Röttgen hat keine Lust mitzuspielen. Der Mann, der nie den Eindruck gemacht hat, als sähe er sich zum Umweltminister berufen und der auch für die beschlossene Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken keine Begeisterung entwickelte, will nicht über die strengsten Sicherheitsstandards der Welt, die sichersten Atomkraftwerke reden.

Die Grünen haben mit Begeisterung ihre „Atomkraft – Nein, danke!“ – Buttons entstaubt, die FDP hatte die „Deutsche Atomkraftwerke sind sicher“ – Gebetsmühlen in Stellung gebracht und der Kanzlerin hat jemand einen vergilbten Spickzettel zugesteckt auf dem steht: „Entweder die sichere deutsche Atomenergie oder die ganz furchtbar unsichere französische.“ Der SPD tun schon die Knochen weh, so sehr klopft Herr Gabriel der Partei für den damals ausgehandelten Atomausstieg auf die Schulter.

Nur der Umweltminister verweigert sich dem reichhaltigen Arsenal abgedroschener Phrasen. Er will die Atomenergie von Grund auf neu denken. Er will darüber nachdenken was Sicherheit ist, das Kampfargument „Restrisiko“ wieder zu einem Begriff mit Inhalt machen und vom gefühlten Atomkonsens zu einem echten, gesellschaftlichen Konsens kommen.

In der Debatte, die der Mensch Norbert Röttgen wohl alleine mit dem Umweltminister Norbert Röttgen unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen wird, gibt es im Grunde nur zwei elementare Fragen zu beantworten.

Die eine Frage ist eine Gewissensfrage: Wenn jeder Super-GAU unvermeidbar in einer Katastrophe kleineren oder größeren Ausmaßes mündet, müsste die Atomtechnik absolut sicher sein, um sie einzusetzen. Besteht aber ein Restrisiko – und sei es auch nur mathematisch – muss man entweder auf die Atomenergie verzichten oder man muss eine mögliche atomare Katastrophe bewusst in Kauf nehmen.

Die andere Frage ist: Selbst wenn es jetzt ein Endlager für den Atommüll dieser und vergangener Generationen gäbe, so muss die strahlende Hinterlassenschaft dauerhaft gehegt und kontrolliert werden, was Geld kostet und kosten wird. Angesichts der Folgekosten der Atomenergie, die über Jahrhunderte gezahlt werden müssen, ist die Atomenergie wirklich lukrativ? Und, ist es eigentlich vertretbar, dass sich hunderte kommende Generationen mit den Folgen des Energiekonsums dieser Generation auseinander setzen müssen?

Sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, wäre auf jeden Fall lohnender als immer wieder aufs Neue zu Behaupten, dass Ingenieure in Kernkraftwerken nicht wissen was sie tun oder so zu tun, als sei Kernschmelze ein Phänomen, das immer nur anderen passieren kann.