Montag, 28. Februar 2011

Minister auf Abruf


Es wird peinlich werden, das ist jetzt schon abzusehen. Die Kanzlerin, die CDU und Verteidigungsminister Freiherr von und zu Guttenberg haben sich in eine Lage manövriert, aus der es nur einen einigermaßen glimpflichen Ausweg gibt: Die Prüfungskommission der Universität Bayreuth müsste zu dem Ergebnis gelangen, dass anhand der Doktorarbeit des Freiherrn von und zu Guttenberg keine eindeutige Täuschungsabsicht nachzuweisen ist.
Es wäre ein Freispruch zweiter Klasse, aber es wäre immerhin ein Freispruch. Angesichts der Beliebtheitswerte des Verteidigungsministers würde er reichen, um ihn im Amt zu halten.

Theoretisch liegt ein solcher Freispruch für Herrn Freiherr von und zu Guttenberg im Bereich des Machbaren. Es ist schwer möglich jemandem nachzuweisen, dass er es vorsätzlich und nicht nur fahrlässig unterlassen hat Zitate als solche kenntlich zu machen.
Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Prüfungskommission so urteilen wird. Die Anzahl der verdächtigen Stellen ist zu erdrückend, zu pikant ist die abgeschriebene Passage in der Einleitung der Doktorarbeit, wo es eigentlich keinen Anlass zum Zitieren gibt.
Zudem ist die Universität Bayreuth ohnehin schon unter Druck, weil die Rhön Klinikum AG, von der damals 26% der Aktien der Familie von und zu Guttenberg gehörten, einen Lehrstuhl an der Universität mit finanziert hat, so dass schon die Rede vom gekauften Doktortitel ist, zum anderen ist sie in der Kritik, weil die Universität Bayreuth zwar zunächst den Doktortitel aufgrund wissenschaftlicher Mängel aberkannte, aber den Täuschungsvorwurf nicht untersucht hatte. Die Aberkennung erfolgte nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht und nicht nach der einschlägigen Promotionsordung.

Die Verteidigungsstrategie des Freiherrn von und zu Guttenberg kann das Unvermeidliche nur hinaus zögern und selbst wenn er Erfolg hätte, so wäre er politisch de facto entmündigt. Nicht, dass diese Aussicht für die Kanzlerin und den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer nicht einen gewissen Reiz in sich birgt.
Tatsächlich sind aber auch die Kanzlerin und die CDU durch die Affäre bereits beschädigt. Vielleicht sollte der Ausspruch von Frau Merkel, sie habe keinen wissenschaftlichen Assistenten berufen, sondern einen Verteidigungsminister, flapsig sein oder humorig, jedenfalls ist er ein Rohrkrepierer.
Doktoranden aus ganz Deutschland reagierten empört einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und forderten Respekt für wissenschaftliches Arbeiten ein. Dass Wissenschaftler von der Kanzlerin, die die Bildungsrepublik stets im Mund führt, Respekt für ihre Arbeit einfordern müssen, wird noch auf Frau Merkel zurückfallen.
Bild: www.zuguttenberg.de
Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder wurde in der Sendung Berlin direkt mit einem eigenen Zitat aus dem Jahr 2007 konfrontiert. Damals wollte Herr Kauder nicht von Milde für Dopingsünder wissen. Beim Versuch zu erklären, warum Herr Freiherr von und zu Guttenberg nicht mit einem Dopingsünder verglichen werden könne, lieferte er unfreiwillig eine sehr gute Begründung dafür, warum das Vergehen des Verteidigungsministers keine Bagatelle ist.

Am Ende aller Erklärungen steht immer steht immer eine Person des öffentlichen Lebens, die sich des Betrugs schuldig gemacht hat, indem sie behauptet hat eine Leistung eigenständig vollbracht zu haben, die sich als ein Flickenteppich fremder Leistungen entpuppt. Dies solange zu verdrängen, bis das Offenkundige offiziell verkündet ist, wird die Peinlichkeit für alle Beteiligten am Ende nur umso größer werden lassen. Schon jetzt ist der Freiherr von und zu Guttenberg nur ein Minister auf Abruf.


Sonntag, 13. Februar 2011

Das 5 Euro Gesetz


Gescheitert sind weniger die Verhandlungen um ein neues Hartz IV-Gesetz als vielmehr der Versuch ein gesellschaftliches Problem zu verwalten.

Vorgeblich forderte das Verfassungsgericht die Politik auf die Regelsätze von Hartz IV nachvollziehbar und transparent zu berechnen. Tatsächlich war das Urteil eine Aufforderung generell darüber nachzudenken, wie die Fürsorge des Staates für die Schwächsten der Gesellschaft aussehen soll.
Schließlich forderte das Verfassungsgericht nicht nur eine nachvollziehbare Berechnung der Regelsätze, sondern mahnte auch an, dass die Möglichkeit  von Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stärker berücksichtigt werden müsse.

Dem Urteil des Verfassungsgerichtes hätte eine gesellschaftliche und politische Diskussion darüber folgen müssen, wie arm die Armen in Deutschland sein dürfen, welchen Mindestlebensstandard will die deutsche Gesellschaft gewähren?
Eben diese Diskussion ist durch den FDP-Vorsitzenden, Guido Westerwelle, abgewürgt worden. Seine berüchtigten Aussagen über „römische Dekadenz“ und „leistungslosen Wohlstand“ haben ihm und seiner Partei geschadet, aber sie haben auch eine sachliche Diskussion unmöglich gemacht.
Die CDU und die zuständige Sozialministerin, Ursula von der Leyen, hatten ebenfalls kein Interesse an einer gesellschaftlichen Diskussion. Es ist charakteristisch für die augenblickliche CDU, dass sie keine klaren Positionen und keine Zukunftsvisionen hat (Ausnahme ist vielleicht die Pränatal Diagnostik). Das Sozialministerium hat lange gewartet, bis die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 des statistischen Bundesamtes vorlag, die es zur Berechnung der Regelsätze heranzog (allerdings wurden nur die unteren 20 Prozent  mit einem Durchschnittsnettoeinkommen von 900 € berücksichtigt).

Den zu erwartenden Aufschrei der Empörung über die Erhöhung von fünf Euro hat man billigend in Kauf genommen. Gerade das Festhalten an diesem eher symbolischen Betrag sollte suggerieren, dass man eine strenge, nüchterne Berechnung aufgrund neuester, vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Zahlen angestellt habe und dies nun einmal das Ergebnis der vom Verfassungsgericht geforderten Neuberechnung der Regelsätze sei.

Hätte die CDU nicht die Landtagswahl in Nordrhein Westfalen verloren, sie wäre vielleicht damit durchgekommen einem Urteil von gesellschaftspolitischer Dimension durch einen bloßen Verwaltungsakt nachzukommen. Zwar hatten Opposition und Wohlfahrtsverbände angekündigt, sie würden bei Inkrafttreten der Hartz IV-Gesetze wieder das Bundesverfassungsgericht anrufen, aber ob das Gericht das nachgebesserte Gesetz abermals für nichtig erklärt hätte, ist fraglich.
Es hätte bei einer weiteren Verhandlung entscheiden können, dass das neue Gesetz zwar nicht dem Geist des vorangegangenen Entscheids entspräche, den Vorgaben aber formal entspräche und damit Verfassungsgemäß sei. Das Verfassungsgericht ist schließlich nicht dazu da die Qualität eines Gesetzes zu bewerten, sondern einzig ob es in Einklang mit der Verfassung steht.

Jetzt, wo der Gesetzesentwurf der Regierung im ersten Anlauf gescheitert ist, könnte man das Versäumte nachholen. Jetzt könnte es eine Diskussion darüber geben, was für einen Lebensstandart eine reiche Industrienation, Exportweltmeister, den weniger glücklichen Mitgliedern seiner Gesellschaft gönnt.
Wie soll eine gesellschaftliche Teilhabe der Unterprivilegierten aussehen, wie kann man sie sicherstellten? Macht ein Bildungspaket wirklich Sinn oder sollte man das Geld in bestehende Bildungseinrichtungen investieren?

Die Diskussion müsste aber noch grundsätzlicher geführt werden. Ist ein Hartz IV-Empfänger per se Mitglied bildungsferner Schichten? Die Begriffe werden bereits synonym verwendet. Kann es eine hoch technisierte Industrienation ohne Langzeitarbeitslose geben und wenn es sie nicht geben kann, mit welcher Begründung halten wir diese dann am Existenzminimum? Was unterscheidet einen Leih- oder Zeitarbeiter eigentlich von einem Sklaven? Wer zahlt die Folgen des zunehmenden Niedriglohnsektors, wenn die 6-Euro Putzfrauen und die 4-Euro Friseusen eine Rente beziehen werden, die zum Leben nicht reicht?

Man könnte über all das reden und dann, wenn es zu einem langfristig tragfähigen, gesellschaftlichen Konsens gekommen ist, ein neues Gesetz erarbeiten. Das könnte man machen oder man könnte sofort nach gescheiterten Verhandlungen den Vermittlungsausschuss anrufen, der einen weiteren Anlauf nimmt einen schlechten Gesetzesentwurf nachzubessern.    

Samstag, 12. Februar 2011

Keiner weiß über iranische Katzen bescheid

Den Musikern Ashkan und Negar ist ein Auftritt in London zugesagt worden. Für jeden jungen, iranischen Musiker wäre das eine große Chance. Für Ashkan und Negar ist die Sache etwas komplizierter, die Gelegenheit noch wertvoller.

Der iranische Staat hat gelinde gesagt ein gespaltenes Verhältnis zur Musik. Einerseits hat Staatschef Ali Khamenei erst kürzlich wieder den verderblichen Einfluss von Musik gegeißelt, andererseits werden traditionellen Musiker wie Mohammad Reza Shajarian verehrt.
Als Shajarian nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen dem staatlichen Rundfunk untersagte weiter seine Musik zu spielen, war das ein Politikum ersten Ranges und ein weiterer schwerer Schlag für den angezählten Präsidenten.

Ashkan und Negar spielen aber nicht die Tar oder Daf, sondern Keyboard und Gitarre, machen keine traditionell iranische Musik, sondern Rock. Westliche Popmusik gilt den Machthabern im Iran vielleicht noch nicht als Abgrund der Dekadenz, aber sie ist nur ein paar Schritte davon entfernt.
Erschwerend kommt hinzu, dass es Negar als Frau verboten ist öffentlich zu singen. Auf legalem Wege werden die beiden kein Visum bekommen, um in England Konzerte zu geben.
Um doch noch in London auftreten zu können, brauchen Ashkan und Negar neben handgemachten Pässen noch eine neue Band. Ihre alte hatte sich aufgelöst und in alle Winde zerstreut, während die beiden nach einem illegalen Konzert eine Haftstrafe verbüßen mussten.
Des Rätsels Lösung ist der Bootlegger, Manager und Schwarzmarkthändler Nader. Er kennt jeden und alles und hilft ihnen eine neue Band zu rekrutieren, verschafft ihnen neue Pässe und Visa, jedenfalls verspricht er es vollmundig.


Der Titel Keiner weiß über iranische Katzen bescheid ist eine Anspielung auf ein Gesetz im Iran, das es verbietet mit Hunden oder Katzen auf die Straße zu gehen. Sie werden als unrein angesehen und gelten als Zeichen westlicher Dekadenz, so wie auch westliche Musik als dekadent gilt und nicht öffentlich gespielt werden darf.

So ist Keiner weiß über iranische Katzen bescheid ein Roadmovie durch die ebenso illegale wie bewegte Musikszene Teherans, das aber nicht durch Straßen und Landschaften führt, sondern auf Dächer, in Keller, Wohnzimmer, Hinterhöfe und sogar Kuhställe. Dabei begegnen Ashkan und Negar klassischen Sänger/Songwriter, iranischen Indierockbands, Heavy Metalbands und Rappern.
Die offizielle islamische Kultur liegt auf dem Land wie ein Betondeckel, aber die Freiheit nutzt jeden Riss und noch den kleinsten Spalt, um sich Luft zu verschaffen.

Allein die Existenz eines Films wie Keiner weiß über iranische Katzen bescheid ist ein kleiner Sieg der Kunst. Regisseur Bahman Ghorbadi stellte schon bei den Arbeiten am Drehbuch fest, dass er für diesen Film niemals eine Drehgenehmigung erhalten würde und versuchte es gar nicht erst. Alle Szenen wurden illegal gedreht und das, obwohl der Film viele Außenaufnahmen vorsieht.
Keine Drehgenehmigung, kaum Budget, zum Teil Laiendarsteller, viel Improvisation und trotzdem ein handwerklich gut gemachter Film mit guten Darstellern und noch besserem Sound, belohnt mit dem Spezialpreis der Jury der Filmfestspiele in Cannes 2009.



No one knows about persian cats - Kasi az Gorbehaye Irani Khabar Nadareh
Regie und Buch: Bahman Ghorbadi
Negar: Negar Shaghaghi
Ashkan: Ashkan Kooshanejad
Nader: Hamed Behdad
103 Minuten. Persisch mit englischen Untertiteln.