Warner haben’s schwer. Der Priester Laokoon warnte seine Landsleute vor dem Trojanischen Pferd und wurde deshalb von Seeschlangen verschlungen. Zudem wurde seine Warnung in den Wind geschlagen.
Vielleicht wollten die Griechen mit dieser Geschichte gar nicht die Warner warnen, sondern zum Ausdruck bringen, dass Warner nerven, auch wenn sie Recht haben. Es sind schließlich Besserwisser, die in Krisenzeiten ihre Warnungen unter das Volk streuen, altkluge Rechthaber, die sich jetzt in Talkshows breit gemacht haben – außer Reichweite von Seeschlangen.
Dass er nicht mehr von Seeschlangen gefressen wird, ist nicht das einzige, das sich am Warner verändert hat. Immer seltener warnt er vor Konkretem, bleibt nebulös.
Man kann sagen, er äußert inzwischen vor allem Bedenken, weswegen inzwischen die Bezeichnung „Bedenkenträger“ im Umlauf ist. Es ist ein Versuch die Warner zu diffamieren und damit mundtot zu machen, allerdings haben sich letztlich Seeschlangen als effektiver erwiesen.
Zuletzt haben die modernen Bedenkenträger Konjunktur gehabt und sich mit Hingabe der Unruhen in der arabischen Welt angenommen.
Vor dem Sturz des tunesischen Diktators Ben Ali fürchtete man eine Flüchtlingswelle, die af Europa zurollen würde.
Als in Ägypten der greise Hosni Mubarak zu taumeln begann, gab man wahlweise die Sicherheit Israels zu bedenken, das Erstarken von Islamisten oder die Möglichkeit einer Militärdiktatur oder alles zugleich.
Die Unruhen in Jemen gaben Anlass zur Sorge, Al Quaida könne dort eine Operationsbasis aufbauen, der ganze jemenitische Staat könne auseinander fallen.
Keines dieser möglichen Zukunftsszenarien entbehrt einer Grundlage. Es stellt sich nur die Frage inwieweit diese Bedenken bedenkenswert sind. Was nutzt eine Warnung, wenn man keine Möglichkeit hat sie zu beherzigen?
Wie sollte Deutschland einer möglichen islamistischen Gefahr in Ägypten begegnen, Hosni Mubarak Polizisten nach Kairo schicken, die den Tahirplatz von Demonstranten räumen? Sollte sich die Europäische Union aus Rücksicht auf Israel an einen 82jährigen klammern, der zwar einen Friedensvertrag mit Israel hat, aber im Land Antisemitismus fördert, wenn es ihm opportun erschien? Sollte man eine Demokratiebewegung unterdrücken, weil vielleicht die Militärs die Macht im Land übernehmen könnten und stattdessen einen Tyrannen an der Macht halten, der sein Volk um geschätzte 10 Milliarden Dollar erleichtert hat?
Soll der Westen einen jemenitischen Staatschef stützen, der seit 32 Jahren regiert, dessen Staat ohnehin vor dem Kollaps steht? Soll der Westen für Forderungen nach Freiheit und Menschenwürde ein taubes Ohr haben, zugunsten der Stabilität in einem Land das instabil ist und in dem angebliche Stabilität nur mit einem jahrzehntelangen Ausnahmezustand garantiert werden kann?
Nein, so weit will natürlich niemand gehen (außer Frankreichs Außenministerin Alloit-Marie, die damit geliebäugelt hatte Tunesiens Ben Ali französische Polizisten anzudienen), auch die Bedenkenträger nicht. Selbstverständlich sollen, dürfen, müssen die Tunesier, die Ägypter, die Jemeniten, Libyer, Syrer und Algerier ihren eigenen Weg in die Zukunft suchen, aber man wird ja noch mal warnen dürfen.
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